Maria Grazias im Beichtstuhl
Pater Nico d’Ambrosio war erst vor wenigen Wochen in sein neues Amt eingesetzt worden – in einer kleinen toskanischen Kirche in der Nähe von Siena. Er war ein erfahrener Mann; einer, der es verstand, zuzuhören und in seiner fröhlichen und menschlichen Art den Dorfbewohnern bei ihren grossen und kleinen Sorgen beizustehen.
Es war Mittag und er bereitete sich auf eine delikate Angelegenheit vor: Ein junges Mädchen wollte seine Seele vor ihm ausbreiten und hoffte auf Absolution für ihre Sünde. Worum es genau ging, ahnte d’Ambrosio höchstens. Maria Grazia Cattaneo schritt erhobenen Hauptes auf die kleine Kirche zu, die sich auf einer Anhöhe befand. Man hätte ihr kaum angesehen, wie mulmig ihr zumute war. Ihr tiefschwarzes, langes Haar hatte sie hochgesteckt und ihr bestes Kleid angezogen: einen seidenen, malvenfarbenen Rock, der vorne von zuoberst bis zuunterst geknöpft war.