Der unbekannte Lover
Seit Stunden bin ich nun der erbarmungslos Lichtblitze auf mich herabfeuernden Sonne ausgeliefert, noch immer spüre ich nichts Anderes auf meiner Haut als Schweißperlen, die sich nach und nach verbünden und in kleinen Rinnsalen von meinem Rücken zu Boden fließen, wo sie vom leicht durchnässten Handtuch gierig aufgesaugt werden.
Skeptisch drehe ich mich immer wieder zur Seite, um mich mit einem Rundblick zu vergewissern, ob mein Spielgefährte von letzter Woche vielleicht nicht doch inzwischen Stellung bezogen hatte. Fehlanzeige. Nichts war von ihm zu sehen, weder das freundliche, vertraut wirkende Lächeln, noch sein muskulöser Körper. Ich gebe auf. Ich werde mich wohl damit abfinden müssen, dass ich heute allein bleiben werde.
Frustriert mache mich auf den Weg zum Wasser, um mich abzukühlen. Ich stehe bis zu den Knöcheln im kühlen Nass, blicke mich ein letztes Mal um. Niemand ist hinter mir, keiner beobachtet mich. Schade. Ich will mich gerade wieder umdrehen und in tiefere Regionen vordringen, als ich etwas erspähe. Es ist bunt, sieht von der Ferne aus wie ein kleines Fähnlein, das am Baum, an dem ich vor einer Woche noch „gefesselt und gepeinigt“ wurde, hängt.
Ich gebe meiner Neugierde nach, steige aus dem Wasser, will wissen, was dort im Wind weht. Sehr vertraut kommt mir dies Fähnchen vor. Mehr als nur bekannt. Es gehört mir. Ich bin keine zehn Meter mehr entfernt. Tatsächlich, mein Bikinioberteil. Jenes Stück Stoff, das von dem süßen jungen Ding letztens entwendet wurde. Formlos und schlaff – ‚wie unüblich für meinen Bikini, der sonst recht stramm sitzt‘, denke ich mir – hängt es an der Stecknadel, mit der es am Stamm befestigt wurde. Doch da ist noch etwas. Ich muss mich strecken, auf Zehenspitzen stehen, um die Nadel ergreifen zu können.
Ein Zettelchen kommt zum Vorschein.