Geliebte Schwester Erika
Gleichgültig wandte er sich um und machte sich auf den Pfad zu seiner Unterkunft. Unterwegs traf er auf Schwester Erika, die Schönste aller Nonnen, die hier als Betreuerinnen auf dem Camp der katholischen Kirche herumliefen. Sie lebte, wie vermutlich die anderen Nonnen auch, in dem Kloster welches weiter oben am Hang gebaut war. Die meisten der Ordensschwestern waren älter oder „hochnäsiger“ oder
etwas in der Art. Diese junge Frau aber schien die Fröhlichkeit in Person zu sein, hatte immer ein freundliches Lächeln auf ihrem Gesicht und für jedermann ein galantes Wort parat. Er schätzte sie auf 35 Jahre oder so.
„ Na Lucas, keine Lust auf Fußball?“, fragte sie im Vorbeigehen.
„ Nö, nicht sonderlich.“ Es klang bekümmert.
Schwester Erika blieb stehen.
„ Bist du etwa betrübt, Lucas?“ sie kehrte um und ging drei Schritte zurück auf ihn zu.
„ Ja, ganz sicher“, sagte der Junge, „ich fürchte, dass meine vierteljährliche Depri mich wieder heimsuchen wird. Ist nichts Besonderes – bin das schon gewohnt. Nur manchmal ist sie krass und nervt mich.“
„ Depri?“, unterbrach Erika seinen Redeschwall.
„ Was meinst du mit Depri?“
Er sah sie irritiert an.
„ Du weißt nicht, was eine Depri ist?“ fragte Lucas ungläubig.
Erika schüttelte den Kopf. Ihre großen blauen Augen forschten in seinem Gesicht.
„ Nein ich weiß nicht, was eine Depri ist. Aber der Wortlaut lässt mich vermuten …“
„ Na eine Depression ist eine Depri“, unterbrach Lucas sie.
„ A ja. Was kann einen jungen Mann so bekümmern, dass er Depressionen bekommt?“
„ Das kann man nicht in drei Worten sagen“, beteuerte Lucas.
„ Na, wenn du reden willst, ich habe Zeit. Lass uns ein wenig laufen. Dort drüben –
ü ber die Felder bis zur Kapelle.“ –
Es tat gut mit jemandem zu plaudern, sich einmal alles von der Seele zu quatschen. Und es war noch besser, wenn der Gesprächspartner die Klappe hielt und nur zuhörte.